Monday, January 24, 2011

Hilfe, die Milchpreise!!

Der Krimiautor Elmore Leonard erklärte kürzlich in einem Interview im Magazin der Sueddeutschen Zeitung, dass man in Prosa auf 100.000 Wörter gerade mal zwei bis drei Ausrufezeichen verwenden dürfe, es sei denn man wäre Tom Wolfe.

Nun bereits im Titel verwendete ich zwei, um meinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Die Milchpreise verfolgen mich. Das erste Mal begegneten sie mir im Jahr 2007 als ich einer Freundin half ihr WG-Zimmer zu streichen. Im Hintergrund lief das Radio und jede halbe Stunde wurden wir darauf hingewiesen, dass Milchprodukte in diesem Jahr deutlich teurer werden würden. Vor allem bei der Butter mache sich das bemerkbar. Der Preis bei normaler deutscher Markenbutter steige von 79 Cent auf unglaubliche 1,19 Euro. Grund dafür sei der steigende Milchpreis. Wenn man bedenkt, dass deutsche Lebensmittel im Vergleich zu unseren westeuropäischen Nachbarländern wie beispielsweise Frankreich günstig sind, fand ich diese plötzliche Preissteigerung nicht sonderlich besorgniserregend. Ich sah zwar ein, dass der Anstieg überproportional auffallend war, aber schließlich hatte sich bei den Milchpreisen seit Jahren kaum etwas getan und es wäre nur fair, wenn nun den deutschen Milchbauern endlich mehr Geld in die Kassen fließen würde.

Mit meiner Meinung war ich ziemlich allein. Es ging nur noch um das Thema Milchpreise. Die Empörung war überall zu spüren. Meine damalige Mitbewohnerin, Lehramtsstudentin, fragte mich, ob ich es schon gehört hätte. Die Milchpreise. Sie kaufte gleich vier Stück Butter zum alten Preis. Die Discounter Aldi und Lidl kündigten an so viele Milchprodukte wie möglich zum alten Preis zu verkaufen. Die Unizeitung fragte sich, ob sich das auf den Cappuccinopreis in der Cafeteria auswirken würde. Tatsächlich würde der auch 4 Cent teurer werden. Kurze Zeit später machte man die Chinesen für den steigenden Preis verantwortlich. Die kauften uns die ganze Milch weg und trieben damit den Preis unnötig in die Höhe. Verschwörungstheoretiker schalteten sich ein und vermuteten, dass diese Pressenmitteilung nicht stimmte, da den meisten Asiaten das entscheidende Enzym fehlte um Kuhmilch zu verdauen. Die Leute kauften dutzendweise Butter und froren diese ein, worauf man bei Besuchen natürlich ausdrücklich hingewiesen wurde: „Der Kuchen ist noch mit alter Butter gebacken. Hatte ich noch in der Gefriertruhe.“ Gott sei Dank war der Buttervorrat auch irgendwann erschöpft, so dass ich nicht immer anerkennend nicken musste, wenn mir Gebackenes mit alter, billiger Butter vorgesetzt wurden.

2008 machte sich leichte Entspannung breit. Die Milchpreise würden sich wohl im kommenden Jahr gegenüber zum Vorjahr kaum verändern. Doch davon bekam ich in Indien nicht viel mit. Auch hier waren die Milchpreise oft ein Thema. Von Anfang 2008 bis Ende 2010 stieg der Milchpreis für einen halben Liter von 8 Rupien (etwa 13 Cent) auf 12 Rupien (etwa 20 Cent), was jedoch in etwa der Inflationsrate entspricht. Vielmehr zu schaffen machte den Menschen die teilweise auftretende Milchknappheit, verursacht zum Beispiel durch Streiks. So drohte 2009 das Lichterfest Diwali in Chennai ein tragisches Ausmaß anzunehmen, da die staatliche Milchversorgung der stürmischen Anfrage nach Ghee (geklärte Butter) für die feiertagsüblichen Süßigkeiten nicht gewachsen war. Aavin, ein bundesstaatliches Milchunternehmen, kam mit den Lieferungen der günstigen Produkte nicht hinterher und bot zur Bestürzung aller den Kunden dafür teurere Lebensmittel an. Wenn Lieferungen kamen, dann wurde das in der Zeitung publik gemacht und die Leute standen Schlange und warteten geduldig auf ihre Ration wie die Ossis auf ihre Bananen.

Nun wieder zurück in Deutschland vernahm ich in der vergangenen Woche die Schreckensmeldung des Statistischen Bundesamts, dass Lebensmittel im letzten Jahr deutlich teurer wurden und dazu zählen natürlich Milch und Butter, die um 1,6% teurer wurden während die Inflationsrate nur 1,1% betrug. Diese Obsession um Milchpreise sind meines Erachtends zwei Ausrufezeichen wert, wenn nicht sogar drei, aber ich möchte nicht anmaßend sein und muss mir noch eins aufsparen für die nächsten 99.400 Wörter.

Vor Kurzem ertappte ich mich dabei, dass ich Butter für 99 Cents kaufte. Für meine Eltern. Statt Blumen. Weil ich weiß, dass Butter zum Angebotspreis Freude macht.

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