Friday, November 6, 2009

Arrangierte Ehe

Mittlerweile bin ich in Indien einiges an sonderbaren Ereignissen gewöhnt. Teils so absurd, merkwürdig und erstaunlich, dass ich nicht mehr nachfrage, sondern die Dinge nehme, wie sie kommen. Vor kurzem saß ich mit meinem kaputten Knie auf dem Flughafen in Bangalore. Da ich ein wenig Zeit hatte, versorgte ich mich mit einem Kaffee und einem leckeren Schokomuffin und arrangierte die Stühle so, dass ich mein Bein hochlegen konnte. Als ich mich gerade über mein schokoladenreiches Gebäck hermachte und dabei ordentlich krümelte, bemerkte ich eine Frau in hellem Sari, die um mich herumschwänzelte.

Oh Mann, dachte ich mir, jetzt spricht sie mich gleich darauf an, dass ich mein Bein nicht hochlegen darf und ich muss ihr erklären, dass ich verletzt bin und mir der Arzt das Hochlegen verschrieben hat. In Gedanken rollte ich schon mit den Augen. Sie schlich und starrte und nach gefühlten 30 Minuten Zooatmosphäre (ich in der Rolle des begafften seltenen Exemplars im Käfig) nahm sich die Gutste ein Herz und sprach mich an. Leider konnte ich sie nur sehr schwer verstehen, nicht wegen des indischen Akzents, sondern schlichtweg weil sie nuschelte.

Sie fragte mich, was ich in Indien mache, wo ich lebe, wie lange ich schon in Indien bin und ob sie mich eventuell kontaktieren kann. So weit, so gut. Bisher nichts Außergewöhnliches an der ganzen Angelegenheit. Ich werde oft angesprochen und es kommt nicht selten vor, dass ich schon nach zwei, drei Minuten Gespräch nach Hause eingeladen werde. Ich gab also der Lady meine Visitenkarte. Damit hatte ich den Startschuss gesetzt und das Verkaufsgespräch begann. Sie hätte zwei Söhne, einer wäre Doktor und verheiratet, der zweite, jüngere Sohn ein erfolgreicher Businessmann und gerade auf Brautschau. Sie hielt immer die Augen nach potentiellen Schwiegertöchtern offen und gerade jemand wie ich wäre ideal. Ich nickte, besser gesagt ich wackelte, mit dem Kopf.

Aber dann... Äh, Moment mal!! Brautschau, Schwiegertochter, ich?!?! Hat sie das gerade wirklich gesagt? Hab ich sie richtig verstanden? Wie bereits erwähnt, sie nuschelte. Hab ich mich vielleicht verhört? Das Interview ging weiter: Ob ich mir vorstellen kann, in Indien zu bleiben? Ob ich Indien mag? Das indische Essen? Zu scharf? Chennai und Bangalore liegen ja nicht so weit voneinander entfernt, oder sehe ich das anders? Ein kurzer Besuch wäre doch machbar, richtig? Äh, äh, äh... Hmm, also.. Stopp!! Kann ich nicht einfach nur sitzen und meinen Muffin essen? Mein verdutzter Gesichtsausdruck und meine kurzen Antworten ließen sie aufmerksam werden und sie verabschiedete sich mit einem: "Okay, ich will nicht länger stören. Ich rufe dann an." Mein Muffin und ich waren wieder allein. Ich wunderte mich und kam nicht umhin, mich zu fragen, ob ich tatsächlich soeben Opfer einer heiratsvermittelnden indischen Mama geworden bin.

No comments:

Post a Comment